Nach dem Rückzug des Berliner Schlittschuhclubs aus der Regionalliga werden alte Gräben im Verein sichtbar
Von Oliver Rast
An Erinnerungen mangelt es nicht: Der Berliner Schlittschuhclub gegen eine Auswahl früherer DDR-Spieler im Berliner Sportforum, April 1997
Vielleicht ist es besser so: Der jüngst wieder gegründete Berliner Schlittschuhclub (Eigenschreibweise: Schlittschuh-Club, BSchC), der sich in der Tradition des 19maligen westdeutschen Rekordmeisters sieht, wird nun doch ganz unten anfangen. In der Berliner Landesliga, der fünften Spielklasse. Aber gleich mit zwei Teams, mindestens.
Ursprünglich wollte der BSchC mit seiner ersten Garde in der viertklassigen Regionalliga Ost starten (jW berichtete am 2. September). Dafür hätte das Team den Platz des insolventen und aufgelösten ECC Preussen übernehmen sollen. Der für den Ligabetrieb verantwortliche Sächsische Eissportverband war dafür. Um das Finanzrisiko für den Verein BSchC auszuschließen, sollte das Viertligateam in eine Unternehmergesellschaft (UG), eine »Mini-GmbH«, ausgelagert werden. So der Plan.
Am 24. September, zwei Tage vor dem geplanten Saisonauftakt des BSchC, dann die Hiobsbotschaft: Die UG zog das Team kurzerhand vom Regiospielbetrieb zurück, der Vereinsvorstand übermittelte die Entscheidung via Facebook: »Wir bedauern dieses sehr, denn wir haben alles versucht, die Mannschaft aufs Eis zu bekommen.« Die Gründe: fehlende Sponsoren in der Coronakrise, Infektionsangst bei Spielern. Fans reagierten teils bestürzt, andere hatten es bereits kommen sehen, und wiederum andere sprachen in den virtuellen Kanälen schlicht von einer »Lachnummer«. Die Reaktionen sind verständlich. Noch einen Monat zuvor hatte ein Vertreter der UG auf einem Fantreffen vollmundig Hoffnungen geweckt, sprach von Geldgebern, die in den Startblocks stünden, um ein Regioteam des BSchC finanziell zu stemmen. Und nun das.
Vereinsvorstand und UG-Geschäftsführung sahen sich in Erklärungsnot. Böse Stimmen in Onlineforen zweifelten sogar die Existenz der UG an. Eilig riefen die BSchC-Fanbeauftragten für Sonnabend eine Art außerordentliches Treffen ein. Der Ort: eine Gaststätte in Wilmersdorf mit bayerischem Flair, rustikales Interieur, kalorienreiche Speisen. Von Zuversicht – wie nach der ersten Versammlung Ende August – war am 3. Oktober nichts mehr zu spüren. Statt 50 kamen nur 25 schaulustige Eishockeyanhänger. UG-Geschäftsführer Daniel Woschei ergriff nach seiner Kurzvorstellung gestenreich das Wort und hielt die notariell beglaubigte Gründungsurkunde mit Amtssiegel und schwarz-rot-goldener Kordel für alle sichtbar hoch. Damit steht fest: Die UG gibt es. Eine der Hauptfragen war geklärt. Halt, nicht ganz. »Welches Datum trägt das Dokument?« wollte jW wissen. Woschei: »16. September.« Damit steht auch fest: Erst zwei Wochen nach dem Regionalliga-Meldeschluss am 31. August war die UG fix. Ein Detail, was Kritikern recht zu geben scheint, den Machern der Mini-GmbH zu misstrauen. Die wollen laut Woschei indes am Puck bleiben, blicken nun auf die Saison 2021/22, kurzum: Die Regionalliga ist für den BSchC weiterhin ein Thema, wenngleich kein aktuelles.
Woschei erklärte sich weiter, legte nach: »Wir mussten jetzt aber erst mal die Reißleine ziehen.« Ein »relativ großer Sponsor« sei abgesprungen. Für ihn, Woschei, sei immer klar gewesen, wenn nicht mindestens 75 Prozent des Etats vor dem ersten Spiel gedeckt seien, würde er eine Saison abblasen. »Von welchem Etat reden wir hier eigentlich?« wollte wiederum jW wissen. »Von einem sehr niedrigen, aber sechsstelligen Betrag«, sagte Woschei vor den Versammelten. Konkreter wurde er nicht.
Anschließend sprang BSchC-Präsident Karsten Dallmann in die Bresche. Er machte keinen Hehl daraus, dass ihn der Rückzug aus der Regio nicht sonderlich schmerze – auf jW-Nachfrage sagte er: »Wir konzentrieren uns auf die Landesliga und unseren Nachwuchsbereich.« Für die Unterklasse hatte der Vorstand gleich zwei Teams gemeldet: die frühere Mannschaft des Eissport- und Schlittschuhclubs 2007, der im Juli dieses Jahres wieder den Namen des Traditionsklubs BSchC annahm, und die Zweite des aufgelösten ECC Preussen.
Nur: Was wird aus den Spielern, die das BSchC-Regioteam bilden sollten? Eine Frage, die den alten ECC-Fans in der Runde auf den Nägeln brannte. Von den ursprünglich 17 Kufenflitzern seien nach dem monatelangen Hickhack noch zehn, elf übrig, so Woschei und Dallmann. Ein Grundstock für eine dritte Mannschaft in der Landesliga, meinte der BSchC-Präsident. »Hey, mit drei Truppen werden wa uff alle Fälle Meester und steigen uff«, raunte einer aus dem Hintergrund und prostete allen zu. Der Haken: Die Meldefrist ist längst abgelaufen, die Landesligisten müssten mehrheitlich für die Aufnahme eines weiteres Teams votieren. Einige weigern sich, wollen keine Nachmeldung zulassen, »sonst gilt die Landesliga wieder als Kneipenveranstaltung«, sagte Dallmann. Ein Schlupfloch könnten Spiele gegen alle Landesligisten außerhalb der Wertung sein, bessere Trainingsspielchen, schlug Dallmann dem Ligaleiter und den Ligakonkurrenten vor. Eine Entscheidung dürfte erst in den kommenden Tagen bei der Vorstellung des Spielplans fallen, schätzt Dallmann.
Ein, zwei, drei Teams im BSchC-Dress in einer besseren Hobbyliga; ein, zwei zuviel, befand der Exvizepräsident des ECC Preussen, Carsten Zimmermann. Ein Verein benötige ein sportliches Aushängeschild, eine erste Mannschaft, »mit der sich vor allem auch die Jüngeren identifizieren können«, betonte er. Einfach wird das nicht. »Da lässt sich momentan nix mixen«, meinte Dallmann freimütig. Der Ex-ESC 07 und die Zweite des Ex-ECC seien »jeweils eigene Cliquen«. Nur charmante Cliquen? Unter den Anwesenden wurde es plötzlich lebhaft, übrigens das einzige Mal während des anderthalbstündigen Treffens. Anekdote um Anekdote über zünftige Keilereien wurden ausgetauscht. »In den letzten Spielzeiten gab’s unter denen nur Hass auf dem Eis«, erinnert sich ein ESC-07-Anhänger. Klubharmonie klingt anders.
Eintracht fehlt ferner den Beteiligten neben der Eisfläche, bislang jedenfalls. Auffällig war folgendes: Die alten ECCer saßen getrennt von den BSchCern – und umgekehrt. Sie tranken unterschiedliches Bier, bestellten verschiedene Gerichte, gingen zeitlich versetzt heim. Das Problem: Das (West-)Berliner Eishockeymilieu ist klein und zerstritten. »Du kannst die Grabenkämpfe von früher nich’ einfach zuschütten, hier haste mit Befindlichkeiten zu tun«, erklärte ein Alt-Preusse im Nachgespräch gegenüber jW.
Zahlreiche Baustellen ringsum den Verein also; der Imageschaden nach dem Regionalligarückzug ist noch nicht abzusehen. Dallmann und seine Vorständler wollen sich davon nicht kirre machen lassen: »Eine Phase, die uns größer, stärker, härter machen wird«, behauptete der BSchC-Präsident. Er wirkte dabei sehr ernst.Statistik: Verfasst von hannes — Mo 5. Okt 2020, 18:53
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