Di 29. Nov 2016, 19:37 von hannes
Eishockey-Oberliga Nord: Die Erfurter können sich durch die per 4:3 schwer erkämpften Punkte etwas von den unteren Tabellenplätzen absetzen
Lange rannten die Drachen vergeblich gegen das Berliner Abwehrbollwerk an.
Beim Abpfiff ließ er enttäuscht die Schultern hängen. Marco Stolp hatte alles, aber auch alles gegeben. Am Ende wurden seine Preussen aber für ihren großen Kampf in Erfurt nicht belohnt. Bis etwa vier Minuten vor dem Ende war für den 26-jährigen Preussen-Fan, dem einzigen in der Halle, die Welt noch in Ordnung. Da führten seine Jungs überraschend mit 3:2. Die Berliner hatten den Gastgebern sinnbildlich drei blaue Augen verpasst, waren drei Mal durch Tore von Philip Reuter (4.), Nico Jentzsch (17.) und Philipp Grunwald (24.) in Führung gegangen. Erfurt hatte jeweils den Anschluss durch Mathias Vostarek (13.) und Paul Klein (28.) erzielen können. Doch dann setzten die bedrohlichen Ladehemmungen ein.
Zwei Tore binnen 23 Sekunden drehen Spiel
33 Minuten lang mussten die 418 Fans warten, ehe sie doch noch auf der Zielgeraden mit drei Punkten belohnt wurden. Bis dahin waren die Black Dragons immer wieder vergebens gegen das Gäste-Abwehrbollwerk angerannt. Dann aber schlugen innerhalb von 23 Sekunden zwei fulminante Knaller im Kasten des aufopferungsvoll haltenden Olaf Schmidt ein. Den ersten hatte Robin Sochan abgegeben, beim zweiten Hammer war Michal Vazan der Absender. Ende gut, alles gut?
Festzuhalten ist, dass die Erfurter lange Zeit zerfahren in ihren Aktionen wirkten. Gut strukturiert einen Angriff aufbauen – das funktionierte fast gar nicht. Auch, weil die Preussen zeitig störten, den Erfurtern durch ihr Pressing den Schwung aus den Aktionen nahmen. Druck kam da nur selten auf. Auf der anderen Seite nutzten die Berliner immer wieder die Kontermöglichkeiten zu Nadelstichen. "Das Spiel hätte heute in beide Richtungen gehen können", anerkannte dann auch Drachen-Coach Thomas Belitz. Er hatte viel Aufwand und viel ungenutzte Chancen gesehen und kam nicht umhin, den Gästen großen Respekt zu zollen.
Das konnte den einzigen Preussen-Fan in der Kartoffelhalle wenig trösten. Marco Stolp sagte nur: "Ich hab‘s befürchtet. Es ist wie immer." Der 26-Jährige hatte sich 60 Minuten lang, für alle in der Halle gut hörbar, die Lunge aus dem Leib gebrüllt, um seine Mannschaft unentwegt anzufeuern. Die Preußen-Spieler klatschten ihn am Ende dankbar ab, Trainer Leonard Soccio klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Und auch von den Drachen-Fans war der Respekt vor dem Burschen, der noch nachts mit dem Zug wieder heimfuhr und am nächsten Morgen um 6 Uhr wieder am Arbeitsplatz stehen musste, zu spüren. Sie belohnten den stimmgewaltigen Gast mit dem einen oder anderen Bier. Erfurter sind halt gastfreundlich. Auf den Rängen und auf dem Eis.
Denn lange sah es so aus, als wollten sie ihrem Kontrahenten gestatten, alle Punkte mitzunehmen. Es holperte sich so dahin, Erfurt suchte lange vergebens den spielerischen Faden, man verlor den Puck schon in der Aufbauphase oder durch ein große Anzahl an Missverständnissen. Und immer wieder attackiert von einem Gegner, der seine spielerischen Defizite durch viel Kampf und Einsatz nahezu kompensieren konnte.
Durch den schwer erkämpften Sieg gegen einen unmittelbaren Tabellennachbarn haben sich die Drachen nun ein wenig Luft nach unten verschafft. Zum achten Platz, der zu den direkten Playoffs berechtigt, sind es aber noch sechs Punkte Differenz. Und die Gegner werden nicht leichter. Am kommenden Freitag steht die lange Fahrt zum Tabellenletzten nach Rostock (20 Uhr) auf dem Spielplan, am Sonntag rückt dann der Tabellensechste Duisburg zum Spiel um 16 Uhr in der Kartoffelhalle an.
Michael Keller / 28.11.16
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